„Terrorismus hätten wir nicht, wenn ihn die Medien nicht fördern würden“

Written by on 5. Januar 2018

Zum Jahresauftakt eine geballte Ladung an interessanten Themen: Stefan Thurner, der Wissenschaftler des Jahres, ist bei uns zu Gast und erzählt mehr über seine Komplexitätsforschung. – Außerdem ein spannender Talk mit dem renommierten Zukunftsforscher Matthias Horx: Warum er die Rolle der Medien im Hinblick auf terroristische Bedrohungsszenarien kritisch sieht, was die Zukunft gesellschaftlich bringen könnte und warum bei ihm zu Hause viel über den „Brexit“ diskutiert wird. Und: Shahrokh Shariat über sein neues Buch zum Thema „Prostatakrebs“. Der Experte über das gekippte Rauchverbot in Lokalen (die Wr. ÄrztInnen-Kammer macht dagegen mobil), die Möglichkeiten, einer Erkrankung vorzubeugen, und wie er die neue Regierung sieht.

Klimawandel, Migration, Verkehr: Mit solch brisanten Themen beschäftigt sich Stefan Thurner, der Wissenschaftler des Jahres. Bei seiner Arbeit an der Medizinischen Uni Wien befasst er sich mit den Problemen der Zeit und deren Erfassung in systemischen Darstellungen. Mehr darüber erzählt er in der Sendung. – Neue Regierung, neue gesetzliche Regelungen („Familienbonus“ etc.), ab Mitte des Jahres doch kein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, „Aufreger“ wie der Buwog-Prozess und die Übernahme des EU-Rats-Vorsitzes. Und was bringt den ÖsterreicherInnen das neue Jahr noch? „Zum einen sind sie sehr zufrieden mit ihrem Leben, zum anderen haben sie wie die Deutschen Angst vor der Zukunft“ meint Zukunftsforscher Matthias Horx, der unser weiterer Sendungsgast ist.  Als einige der großen Zukunftsthemen sieht er den Klimawandel bzw. die Klimawende und die neue „Weltordnung als nächste Phase der Globalisierung“ an. Was politische Entwicklungen angeht, ortet Horx das „Verblassen des alten Rechts-Links-Widerspruchs und gleichzeitig die Orientierung der Menschen an der Vergangenheit. Es gibt einen Nostalgie- und Retro-Trend“. Dazu gehört etwa auch die wiederentdeckte Begeisterung für das klassische Buch und die Vinylplatte. „Die Menschen wollen wieder das Sinnliche und Aromatische, das Reale. In Amerika ist das schon ein riesiger Trend. Da gibt es, glaube ich, in New York kaum jemanden, der nicht eine digitale Diät macht und sein Handy immer wieder ausmacht. Bei uns fängt das jetzt langsam auch an“, so Horx.

Kritisch ist Horx gegenüber der deutschen Talkshowkultur (Sendungen wie „Hart aber fair“, „Maischberger“), in der gesellschaftspolitische Themen verhandelt werden. „Wir haben heute tausende Kanäle, die um Aufmerksamkeit rangeln. Ich glaube, dass diese Art von öffentlichen Vorführungen von Vereinfachungen die Gesellschaft spalten und dass sie die Vorläufer des Populismus gewesen sind. Weil sie uns jede komplexe gesellschaftliche Frage so aufbereiten, dass es nur Schwarz oder Weiß gibt, Ja oder Nein, dass gepöbelt wird und es vor allen Dingen um den Showeffekt geht. Und diese Skandalisierung des Medialen führt auch zu dieser Über-Nervosität in der Gesellschaft und zu diesem Gefühl, am Abgrund zu stehen. Wir werden in den nächsten Jahren lernen müssen, mit diesem wilden Medienapparat umzugehen.“ Kritisch sieht der Forscher auch die Rolle der Medien im Hinblick auf die Berichterstattung über terroristische Anschläge: „Den Terrorismus, wie wir ihn auf Europas Straßen erleben, hätten wir nicht, wenn ihn die Medien nicht fördern würden mit allen Kräften. Nämlich mit unentwegter Angst-Berichterstattung“.

Horx ist seit 25 Jahren als Zukunftsforscher tätig, vor etwas mehr als 20 Jahren gründete er das Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main. Es gibt auch eine Zweigstelle in Wien. Der Forscher pendelt zwischen London, Deutschland und Wien. Da seine Frau Britin ist, ist das Thema des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU immer wieder auch privat Thema. „Wir waren irritiert darüber, dass viele unserer Freunde in Großbritannien für den ,Brexit‘ gestimmt haben.“ Horx‘ Prognose zufolge aber sei es wohl am Ende wie eine „Beziehungskrise. In 2, 3 Jahren wird England mit Europa Verträge geschlossen haben, die uns vergessen lassen, dass es einen ,Brexit‘ gab. Die meisten der Verträge, die für die Briten gut waren, werden wieder aktiviert werden“. Mittlerweile haben EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Großbritannien einen Verbleib in der EU angeboten. Ein Sprecher der britischen Premierministerin Theresa May hat aber signalisiert, Großbritannien habe daran kein Interesse. Durch das britische Unterhaus wurde ein wichtiges EU-Austrittsgesetz beschlossen. – Wie Matthias Horx die „Hochzeit des Jahres“ von Prinz Harry und Meghan Markle am 19. Mai sieht und welche Zukunftsaussichten er für unser Familien- und Sexualleben ortet, erfahren Sie in der Sendung. Hier gehen wir auch der Frage nach, inwieweit es künftig Sex mit Robotern geben könnte.  Bei der IT-Messe in Las Vegas stehen in diesem Monat Roboter im Mittelpunkt – und die moralischen Probleme, die sich durch ihren Einsatz ergeben. Wer bestimmt, nach welchen Regeln ein Roboter Entscheidungen trifft? Forschende arbeiten daran, den Maschinen ethische Kompetenz zu vermitteln. – Außerdem: „Sekt oder Soda (bzw. Selters)?“ – Redakteur Michel Mehle fragt die WienerInnen, mit welchem Getränk sie mit ihm auf das neue Jahr anstoßen wollen und wie sie die Zukunft sehen.

Zudem zu hören: Beim Science Talk in der Aula der Wissenschaften trifft unsere Kollegin Caroline Schranz Wissenschaftsminister Heinz Faßmann auf ein kurzes Interview zu seiner neuen Arbeit, besondere Forschungsprojekte in Österreich und sein Lieblingsbuch. – Außerdem: Der spannende Talk mit dem Prostata-Krebs-Spezialisten Shahrokh Shariat von der Medizinischen Uni Wien. Sein neues Buch „Prostatakrebs“ (Manz Verlag) liefert hierzu interessante Einblicke. In der Sendung erklärt er, wie man(n) einer Erkrankung vorbeugen kann und wie er das gekippte Rauchverbot in der Gastronomie sieht („Es ist schändlich“). Die Wiener ÄrztInnen-Kammer hat ein Volksbegehren für die Beibehaltung des 2015 beschlossenen NichtraucherInnen-Gesetzes beschlossen. Die Abkehr vom generellen Rauchverbot in der Gastronomie würde laut Kammer massive gesundheitliche Auswirkungen auf große Teile der Bevölkerung haben. Laut einer Umfrage der ÄrztInnen-Initiative lehnen 70 Prozent der ÖsterreicherInnen den Plan ab, das Rauchen in Lokalen trotz des beschlossenen Verbots weiter zu erlauben. – ÖVP und FPÖ hatten sich bei den Regierungsverhandlungen darauf geeinigt, dass das ursprünglich ab Mai 2018 geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie nicht kommt. Gäste können vorerst weiter in abgetrennten Räumen Zigaretten konsumieren. Was Jugendliche betrifft, soll es strengere Bestimmungen geben. – Und: Ekkehard Büchler, Leiter der Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe in Wien, erzählt in der Sendung mehr über seine wichtige Arbeit.

Der Podcast zum Nachhören mit Stefan Thurner, dem Wissenschaftler des Jahres (Sendung vom 9.1.18):

Der Podcast zum Nachhören mit Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (Science Talk): 


Der Podcast zum Nachhören mit Zukunftsforscher Matthias Horx über die Trends der Zukunft:


Der Podcast zum Nachhören des Gesprächs mit Shahrokh Shariat und Ekkehard Büchler:

Credit: Pixabay / CCO


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