Österreich: Land der größten „Performer“

Written by on 12. April 2016

Als „Performer, Styler, Egoisten“ bezeichnet Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier (junge) Menschen, welche die Selbst-Darstellung und -Vermarktung perfekt beherrschen und weniger am Wohl der Mitmenschen als an ihrem eigenen interessiert sind. Österreich sei im Vergleich zu Deutschland und weltweit gesehen jenes Land mit den meisten Personen, die in diese Gruppe fallen, meint Heinzlmaier. Warum das so ist, wie unsere Gesellschaft immer mehr zur Event-Society wird und was er über die „Generation Porno“ denkt, verrät er im „Wissenschaftsradio“.

Sein Jugendforschungsinstitut sitzt in Wien, in Hamburg betreibt er zudem das Jugend-Marktforschungsinstitut t-factory: Der Wiener Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier kennt also Jugendliche aus Österreich und Deutschland. Kürzlich veröffentlichte er eine Studie darüber, wie die Plakatsujets zur BundespräsidentInnen-Wahl bei der jungen Zielgruppe ankommen. Zwei der Ergebnisse: Alexander van der Bellen und Norbert Hofer markieren die stärksten Gegensätze. Signalisieren die Sujets van der Bellens Liberalität, stehen Hofers Plakate im „bekannten FPÖ-Design“ hingegen für eine „konventionelle Einheitsmassenkultur“, so Heinzlmaiers Forschungsergebnis. Und: SPÖ und ÖVP gelinge es nicht, eine eigenständige Ästhetik zu entwickeln. Sie würden angesichts des klar markierten Gegensatzes „van der Bellen – Hofer“ letztlich „blass“ bleiben.
– Bei der Frage, welches Land mehr „Performer, Styler und EgoistInnen“ hat, muss er nicht lange überlegen. „Das ist Österreich. Es ist ein Land des Scheins“, meint Heinzlmaier. „Bei Besprechungen in Österreich kann man davon ausgehen, dass nur sehr wenig davon umgesetzt wird.“ Deutschland sei hier viel ergebnisorientierter. „Eigentlich bin ich die meiste Zeit in Hamburg und tue mir dann in Österreich mit der Schleimigkeit hierzulande schwer. Auftraggeber haben mir schon gesagt, dass sie wissen, dass ich Österreicher bin und daher von mir schonungslose Offenheit, was Analysen betrifft, einfordern. Sie meinten, die Österreicher würden, anstatt ehrlich zu sein, Charme vorschützen“, so Heinzlmaier sinngemäß.

Auch global gesehen habe Österreich die meisten „Styler, Performer“ und „EgoistInnen“ – damit bezeichnet der Forscher Menschen, die die Selbst-Darstellung und -Vermarktung perfekt beherrschen und weniger am Wohl der Mitmenschen als an ihrem eigenen interessiert sind. Das äußere sich dann auch im häufigen Gebrauch von Social Media wie Facebook, Twitter und Instagram. Die Fußball-EM, das „TV-Ereignis“ Dancing Stars, der Life Ball (der heuer nicht stattfindet, dafür soll es am 10. Juni eine große Aids-Charity in Wien geben, Anm.): Die Eventkultur greife immer mehr um sich. Dies stelle auch für viele Event-BesucherInnen die Möglichkeit dar, aus ihrem stark strukturierten und wenig aufregenden Alltag (Job, Familie …) auszubrechen und ihrem Leben mittels Postings in sozialen Medien einen Sinn zu geben.

Für die „Generation cool“ bzw. „Porno“ ist an sexuellen Inhalten heute alles frei im Internet verfügbar. Damit geraten junge Leute unter Druck, ihr Sexualverhalten den Bildern aus Pornovideos anzupassen „anstatt selbst zu bestimmen, wie sie ihre Sexualität leben“, erklärt Heinzlmaier. Sexualität würde zunehmend zu etwas Technischem gemacht. „Es geht dann oft nur mehr um Triebabfuhr.“ – Warum er OptimistInnen „verteufelt“, was er an der Kindheit von heutigen jungen Menschen furchtbar findet und was sein schönster „Aussteiger-Traum“ mit dem Zeichner und Tigerenten-Erfinder Janosch zu tun hat, erzählt er im „Wissenschaftsradio“.

Der Podcast zum Nachhören:

http://jugendkultur.at/

http://www.tfactory.com/


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